Falls du nur Fakten zum Nationalpark Torres del Paine (Eintritt, Wanderungen etc.) lesen möchtest, dann scrolle ganz runter. Ansonsten viel Spass beim Lesen dieser Reisegeschichte.
In der Nacht
Eine Nacht und Nebel Aktion würden andere wohl unsere Fahrt in den Nationalpark Torres del Paine nennen. Das ist nachvollziehbar, denn wir fahren bei Anbruch der Dunkelheit und strömenden Regen mit erhöhter Geschwindigkeit, das heisst bei uns etwa 80h/km, neben dem Haus des Parkrangers vorbei und rein in den Park.

Die Schotterstrasse wird immer schlechter. Und im Dunkeln müssen wir aufpassen nicht in jedes Schlagloch zu fahren. Also Stefan muss aufpassen, ich sitze nur angespannt daneben und kommentiere die Fahrt wie ein Rally-Co-Pilot. Plötzlich sehe ich zwei dunkle Gestalten die mitten auf die Strasse springen!
Sie scheinen von der aggressiven Art Anhalter zu sein, denn an ihren Gesten erkennen wir, dass sie ein Nein als Antwort nicht akzeptieren werden. Verständlicherweise. Bis zum nächsten Camping sind es sechs Kilometer und vom starken Regen mal abgesehen, ist es doch recht kühl.
„Wir können sie nicht stehenlassen“, Stefan nickt. Eigentlich wollten wir unbemerkt an unser Ziel fahren. Daraus wird wohl nichts. Ich öffne den zwei noch dunklen Gestalten die Schiebetüre und sie springen in unseren Van. Erleichtert fangen sie an uns zu erzählen, weshalb sie bei so unmenschlichen Verhältnissen hier rumgeistern.
Sie haben den letzten Bus in die Stadt verpasst. Sie waren Wandern. Die Abfahrtszeiten der Busgesellschaft stimmen nicht. Ich rieche Alkohol.
Obwohl ich mich zu ihnen nach hinten drehe, sehe ich die Gesichter der jungen Frau und des jungen Mannes nur wenn uns ein Auto kreuzt und den Wohnraum des Vans kurz erhellt. Sie erzählen von Santiago und den Demonstrationen. Ich merke an ihren Worten, dass sie uns versuchen zu erklären, weshalb sie in ihrer Heimatstadt zur Zeit protestieren müssen. Sie befürchten wohl, dass der Rest der Welt, genauso wie ihre Regierung, gegen sie sind. Umso erleichterter und glücklicher sind die beiden Chilenen, als ich ihnen sage, dass wir sie verstehen.
Die holprigen sechs Kilometer gehen zu Ende und nachdem die beiden Demonstranten aussteigen, parkieren wir und machen schnell unser Bett. Morgen müssen wir früh raus.
Tag 1
Wir sind ja die Art Touristen, die andere Touristen nicht mögen. Vor allem keine busfahrenden Touristenmassen. Deshalb startet unsere Wanderung zu den Torres del Paine früh am Morgen. Um sechs Uhr laufen wir los. Wir hätten auch eine Stunde später loslaufen können, denn nach dreissig Minuten merken wir, dass unsere Kamera fehlt. Ich stampfe fluchend zum Auto zurück. Meine Wut besteht fünfzig Prozent aus der Tatsache, dass ich gerade eine Stunde Muskelkraft verschwende, die ich nachher sicher brauchen werde und fünfzig Prozent aus Enttäuschung die Stunde Touristen-Vorsprung zu verlieren.
Früh gehen wir los… …kurz bevor die Sonne aufgeht
Zurück bei Stefan startet unsere Wanderung erneut. Ich bin wieder gut gelaunt und das Morgenlicht leuchtet so golden wie der Sarkophag des Tutanchamun.
Der Wanderweg ist gut ausgeschildert und durch die vielen Besucher auch gut begehbar. Es geht den Berg hoch, dann wieder runter, nur um dann wieder hoch zu gehen. Wir laufen zwei oder drei Stunden den Berg hinauf. Ich schaue nicht auf die Uhr, denn die würde die Anstrengung auch nicht minimieren.
Der Weg ist steinig
Die zuvor verschwendete Muskelkraft macht sich bemerkbar und dient mir heute als Ausrede Nummer eins, weshalb ich andauernd Pause machen muss. Auch der verlorene Vorsprung zeigt sich. Es überholen uns immer öfters andere Wanderer und zwar in einem Tempo, welches in mir die Frage weckt, ob Wanderer der richtige Ausdruck ist und nicht eher von einer Biene gestochener Gepard.
Und da plötzlich, hinter dem gefühlt hundertsten Hügel, ragen 3 schroffe Felsen empor. Die Torres del Paine. Sie ähneln den drei Zinnen im Südtirol, nur sind sie etwas schmäler und nicht ganz so imposant. Mir kommt ein Mann entgegen, einer der Geparden, welcher schon wieder auf dem Nachhauseweg ist, sieht mich an und sagt: „Falta poco!“ – Es geht nicht mehr lange. Eine Stunde später zweifle ich an seiner Urteilsfähigkeit. Dafür stehe ich nun endlich vor einem hellblauen Bergsee und damit am Ziel der heutigen Wanderung.
Endlich! Die Torres del Paine
Wir waren heute Morgen ganz schlau und haben Wasser gekocht und mitgenommen. Es tut gut sich eine kleine warme Mahlzeit zu gönnen, um mindestens die Finger und den Magen zu wärmen. Der Wind ist stark und die Luft kühl. Das liegt vielleicht auch an der verschwitzten Haut unter der Kleidung.
Diese Eintageswanderung zu den Torres ist die berühmteste und eine der schönsten Wanderwege des Nationalparks. Deshalb ist sie auch masslos überlaufen zur Hochsaison. Also jetzt.
Ich bereite das Mittagessen vor Stefan im Wanderglück
Bevor wir uns auf den Abstieg machen, beglückwünschen wir uns nochmals freudig und stolz, dass genau heute die Torres ohne Wolken umhangen dastehen (eine Seltenheit!), als ob wir das zu Verantworten hätten. Beim Abstieg brauche ich keine Ausreden mehr für Pausen. Es wandern uns so viele Menschen entgegen, dass wir ständig anhalten müssen.
Die Gepardensaison scheint vorbei zu sein, dafür tummeln sich umso mehr Faultiere mit roten Köpfen auf dem Weg. Da ich weiss, wie sie sich fühlen, muntere ich einige auf: „Falta poco!“ Die werden mich in einer Stunde verfluchen.
Wir sind nicht alleine
Wir gehen den selben Weg runter, welchen wir hoch gewandert sind. In Südamerika gibt es wenige Rundwanderwege, welche man in einem Tag gehen kann. Meine Beine tun weh. Meine Füsse brennen. Und nach 22 Kilometern sehe ich endlich unseren geliebten Paco (das ist unser Van) vor mir. Ich öffne die Schiebetür und lasse mich in seinen Bauch fallen.
Tag 2
Wir wachen an einem malerischen Fleckchen Erde auf. Vor uns ein dunkelblauer See und hinter uns Berge. Nur das eingedrückte Auto neben uns und zwei zerbrochene Windschutzscheiben ein paar Meter weiter, werfen Fragen auf.

Wie soll ich bloss aufstehen? Die Füsse schon auf dem Boden gestellt, versuche ich mich auf genau diese zu stützen und mich hochzustemmen. Mir tut alles weh. Der Muskelkater des Jahres!
Trotzdem gehen wir spazieren. Und es lohnt sich. Grünliche weiche Hügel, graue schroffe Berge, dunkelblaue ruhige Seen und ein hellblauer reissender Wasserfall ergeben eine einzigartige Palette an Farben und Textur.



Und als ob wir noch nicht genug Schönheit gesehen hätten, begeben wir uns ein wenig später zum Lago Grey. Wir warten bis 19:00 Uhr bevor wir uns auf den Weg machen zum Platz 2 auf der Liste der beliebtesten Orte im Torres del Paine Nationalpark. Wir nutzen somit den Vorteil des Reisen im eigenen Van, um den Gletschersee ganz für uns alleine zu haben.
Das passiert natürlich nicht. Denn wir sind nicht die einzigen Cleveren, die erst dorthin gehen, wenn alle Touristenbusse abgereist sind. Trotzdem ist es ruhig. Und kalt. Der starke Wind kommt dieses Mal direkt vom Gletscher, über den See, neben den Eisbergen vorbei, rücksichtslos in unsere Gesichter.
Eisberge des Grey Gletschers Auf dem Weg zum Lago Grey
Wir verharren und sehen dem Eis beim Schmelzen zu. Und der Familie neben uns. Sie brechen von den kleinen Eisschollen Stücke ab, um sie in ihre Gläser zu tun und ihre Getränke frisch gekühlt zu geniessen. Ihre Freude ist ansteckend. Und ehe wir uns versehen, steht die Frau mit dem Glas vor uns.
„Wherrre arrre you frrrrom?“ Mit charmanten spanischem Akzent und einer kleinen Zahnlücke streckt sie mir das Glas entgegen: „Whisky with ice!“
Sie ist Chilenin, aus Concepción, Zahnärztin, Whiskyliebhaberin und liebt es, wenn Ausländer ihr Land erkunden und sich wohl fühlen. Sie erzählt, dass sie ihre Zahnarztinstrumente in der Schweiz kauft und extra dafür nach Genf geflogen ist. Was wir mit einem „Oooh“ bewundern, weniger weil sie in der Schweiz war, sondern mehr weil wir uns nun die Zahnbehandlungspreise in Chile vorstellen können. Ich verschweige ihr meinen eigentlich notwenigen Zahnarztbesuch.

Die Chilenin, ihr Mann und ihre drei Kinder umarmen uns zum Schluss und wir machen uns auf den Weg auf eine Aussichtsplattform. Auf dem Weg dort hin wird es plötzlich windstill und die nächste Stunde sieht alles aus wie in einem Märchenwald.
Sieben Zwerge, ein Rotkäppchen und zwei Prinzen später stehen wir wieder vor unserem Van und lassen den Tag mit einer Runde Netflix ausklingen.
Unterwegs im Märchenwald
Tag 3
Jeder Muskelkater, der mich nicht umbringt, macht mich stärker. Mit diesem Motto ziehe ich heute meine Wanderschuhe an und wir machen uns auf den Weg zum Mirador Ferrier. Laut unserem Wanderbuch ist diese Wanderung zwar nur drei Kilometer lang bis zum Gipfel, dafür macht man in dieser Zeit etwa 700 Höhenmeter. Oder 900, wenn man den Chilenischen Angaben glauben will. So oder so geht es steil bergauf.
„Hallo, wo wollt ihr hin?“ Ein Parkranger hält uns auf, als wir bei dem Wegweiser in den Wanderweg einbiegen wollen. Wir antworten ihm: “Auf den Ferrier!”. „Dann müsst ihr euch aber registrieren,“ Stefan schaut mich an und wir denken dasselbe. Scheisse, jetzt werden wir erwischt. Wir gehen mit dem Parkranger in sein Häuschen und er erzählt uns vom Park und den Tieren. Ich frage nochmals nach, wie wir bei einer Begegnung mit einem Puma reagieren müssen. Nicht weil ich mich nicht mehr erinnere, sondern weil ich merke, wie gerne der Mann sein Wissen teilt. Stefan schreibt uns in der Zwischenzeit ein mit Namen und Herkunft. Der Ranger möchte weder Pass noch Ticket sehen.
Der Weg auf den Berg Ferrier ist tatsächlich so steil wie erwartet. Zwei Dinge sind heute besser als vorgestern. Erstens scheint die Sonne und wir können im T-Shirt wandern (so warm hatten wir schon lange nicht mehr!). Und zweitens bin ich heute fast so schnell wie ein Gepard. Dies würde mich zwar nicht von einem Puma retten, denn wegrennen ist die genau falsche Taktik. Dafür bringt es mich rasch ans Ziel.
Weitblick vom Mirador Ferrier
Oben angekommen sehen wir über den ganzen Torres del Paine Nationalpark. Und da es diesmal warm ist, machen wir es uns gemütlich. Nach eineinhalb Stunden Ruhe, erreichen eine französische Wandergruppe mit einem Wanderführer die Bergspitze. Das wäre nicht weiter schlimm, wenn der Wanderführer nicht wie ein Jugendlicher auf Speed ununterbrochen reden würde.
Als die Wandergruppe den Abstieg beginnt, lassen wir ihnen zwanzig Minuten Vorsprung. Gemütlich gehen wir die steilen Wege hinunter bis uns ein Fremder mit Basecap entgegenkommt und von weitem laut „Hola Chicos!“ ruft. Ich kann sein Gesicht nicht sehen, aber er scheint uns zu kennen. Stefan dreht sich fragend zu mir um. Egal wer es ist, wir können nicht flüchten. Der Weg ist sehr schmal und sehr steil.
Der Fremde kommt näher und wir sehen, dass eine Flucht nicht nötig ist. Es ist Marcel. Dicht gefolgt von Reni. Wir staunen, die beiden hier wieder zu treffen. Mitten im Berg. Wir setzen uns gemeinsam hin und werden zum Hindernis für alle anderen Wanderer. Das ist uns egal, denn wir freuen uns über das Wiedersehen und tauschen auch gleich die Erfahrungen der letzten Wochen aus.
Unter anderem erzählen sie uns, der Wind im Nationalpark sei vor ein paar Tagen so stark gewesen, dass Campervans umgefallen und Scheiben kaputt gegangen sind. Jetzt wissen wir die Geschichte hinter dem eingedrückten Auto und den zersplitterten Windschutzscheiben.
Mit Reni und Marcel, auch bekannnt als SwissNomads
Der Rest des Weges ist angenehm und nach den letzten Kilometern kommen wir auf dem Parkplatz an. Im öffentlichen Badezimmer wasche ich mir das Gesicht und ignoriere mein Verlangen nach einer Dusche.
Nach ein paar Parkplatzgesprächen steigen wir in Paco ein. Heute fühlt es sich weniger wie eine Nacht und Nebel Aktion an, denn wir fahren ruhig aus dem Torres del Paine Nationalpark raus. Es begegnen uns auch keine Anhalter. Wir nehmen nur unsere schmerzenden Muskeln und Eindrücke dieser unvergesslichen Natur mit.

Wichtige Infos für deinen Besuch im Nationalpark Torres del Paine:
- Der Eintritt kostet als nicht Chilene $25.000 (Chilenischer Peso), das sind etwa 28€, für bis zu drei Tagen. Wenn du länger bleiben willst, steigt der Preis auf $35.000 (40€)
- Mit dem Van/Camper darfst du an all den Orten stehen und übernachten, wo es auch Toiletten gibt. Auf iOverlander findest du diese, falls du nicht sicher bist
- Falls du zu Fuss unterwegs bist, kannst du mit dem Bus von Puerto Natales zum Nationalpark fahren und dort zelten. Du solltest aber vorher reservieren: Reservieren (klicke dort auf “hacer una reserva”, um auf den Kalender für die Reservierung zu kommen
- Wenn du ein Zelt mieten willst, dann empfehlen wir dir bei Erratic Rock in Puerto Natales vorbei zu schauen (dort kannst du auch duschen für eine kleine Spende!)
- Es gibt mehrere Eintages- und Mehrtägige Wanderungen. Am beliebtesten sind der W-Trek, O-Trek und die Wanderung zu den Torres. Für den W- und O-Trek brauchst du ein Zelt oder mietest ein Zelt auf den Campingplätzen, denn die dauern mehrere Tage
- Nicht erlaubt sind: Feuer, Haustiere, Wild Campen, Abfall liegen lassen (du musst deinen Abfall wieder mitnehmen!)
- Offiziell musst du dich registrieren, wenn du eine Wanderung machst. Falls du jedoch früher am Morgen loslaufen willst als alle anderen, dann wird keiner da sein um dich zu registrieren. Du kannst trotzdem gehen, denn kontrolliert wird niemand.
- Bring passende Kleidung mit. Das heisst hier: Alles! Denn es kann plötzlich regnen, sehr stark winden oder es wird warm unter der Sonne. Das Wetter ist unberechenbar
- Eine durchschnittliche bis gute Kondition und Trittsicherheit wird dir das Wandern erleichtern
- Diese Karte zeigt dir alle Wanderwege und Übernachtungsmöglichkeiten an:

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